Auf ein Wort:
„Das Stiftungsgespräch“

Stiftungsgespräch

Prof. Dr. Rüdiger Grube, Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Semperoper, im Gespräch mit Peter Theiler, Intendant der Semperoper Dresden.

Grube: Lieber Herr Theiler, Sie sind seit der Spielzeit 2018/19 Intendant der weltberühmten Semperoper Dresden. In einem Jahr geben Sie diese tolle Aufgabe und Verantwortung an Frau Nora Schmid ab. Wie beurteilen Sie selbst Ihre Zeit an der Semperoper in Dresden?

Theiler: Es waren ereignisreiche Jahre, im wahrsten Sinne des Wortes. Künstlerisch konnten wir trotz der Fährnisse und Lockdowns in all der Zeit vieles erreichen, mit Neuproduktionen und großen Wiederaufnahmen, die aufgrund langer Liegezeiten enorme Kräfte banden. Ich versuche, die wichtigsten Punkte zusammenzufassen. Da kommt einiges zusammen, auf das ich gerne blicke. Hervorzuheben wären die verschobenen und nach Jahren endlich zur Aufführung gebrachten „Ring“-Zyklen mit Christian Thielemann, in herausragender Besetzung. Neben der Repertoirepflege und den Hausgöttern Wagner und Strauss ist mir die Erwähnung der Repertoireerweiterung wichtig: mit Bellini, Meyerbeer und Berlioz, also mit Zeitgenossen von Richard Wagner, deren Spuren in seinem Schaffen durchaus zu erkennen sind. Im Kernrepertoire sind vier Werke von Verdi und zwei von Puccini als Neuproduktionen zu nennen. Das ist nicht nur ein Bekenntnis zu diesen Meistern, sondern auch zur Repertoireerneuerung mit Titeln, die ein Opernhaus wie die Sächsische Staatsoper ständig vorhalten können muss. Dass wir Schlüsselwerke des 20. Jahrunderts wie zum Beispiel „Moses und Aron“ oder „Le Grand Macabre“ am Anfang meiner Amtszeit realisieren konnten und immer wieder deutsche Erstaufführungen im Spielplan hatten, aber auch Uraufführungsaufträge an Torsten Rasch und Detlev Glanert vergeben konnten und können, steht in der langen Tradition der Sächsischen Staatsoper als Wiege für Neues. Bei allen Projekten und Unternehmungen erweist sich die Staatskapelle Dresden immer wieder als das herausragende und vielseitig musizierende Orchester, das, aus langer Tradition schöpfend, seinen besonderen Klang in Oper und Konzert betörend zur Wirkung bringt. Ich denke da auch an ungewöhnliche und nicht unbedingt „kapellgenetische“ Literatur wie „Platée“ von Rameau. Es war ein Erlebnis! Lediglich bei Monteverdis „L’Orfeo“ sitzt ein fremdes Spezialisten-Ensemble im Orchestergraben, was bei dieser zwischen Renaissance und Barock entstandenen ersten Oper der Musikgeschichte gut zu verstehen ist.

Gerne schaue ich auch auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit wichtigen Interpretinnen und Interpreten, ob im Gesang, am Pult oder in den Regieteams. Auch in Kombination, wie bei Rolando Villazón. Eine neue Generation von Regisseurinnen wie Barbora Horaková Joli, Marie-Eve Signeyrole und Laura Scozzi arbeitet hier – im Kontrast zu Urgesteinen wie Katharina Thalbach, Christof Loy, Calixto Bieito, Jens-Daniel Herzog und Peter Konwitschny, den ich nach langer Absenz mit gleich drei Inszenierungen wieder an die Semperoper binden konnte. Zu feiern waren außerdem sowohl das Dresdner Debüt des weltweit gefragten italienischen Regisseurs Damiano Michieletto als auch der große Bühnenbildner Johannes Leiacker, der dem Hause seit Jahren mit vielen Ausstattungen verbunden ist und dafür in der vergangenen Spielzeit von der Stiftung Semperoper ausgezeichnet wurde. Sie alle stehen für spannendes Theater und gesellschaftlich relevante Denkansätze und Interpretationen. Und dass die Semperoper sich als Traditionshaus zeitkonform versteht, haben wir mit der Uraufführung einer Künstlichen-Intelligenz-Oper bewiesen.
Stolz sind wir auf den Spielort Semper Zwei, der uns ein Programmangebot in Vielfalt bietet, von der avancierten zeitgenössischen Musik über Musicals und Projekte für Kinder und Jugendliche. Überhaupt ist die Abteilung Education, die für ein jugendliches Zielpublikum arbeitet, unter meiner Intendanz deutlich gewachsen: als Investition in die Zukunft.
Was ich auch noch nennen möchte: Im internationalen Kontext ist es in den letzten Jahren verstärkt gelungen, die Marke Semperoper als Koproduzentin zu verankern. Zu Salzburg kamen Partner in Tokio, Paris, San Francisco und New York, um die wichtigsten zu nennen.
Als persönlich große Bereicherung empfand ich bis zu seinem Wechsel nach London die künstlerische und loyale Kompetenz von Aaron Watkin, der uns als Ballettdirektor mit dem Semperoper Ballett wunderbare Erfolge einzufahren wusste. Meine Highlights sind da die abendfüllenden Arbeiten von Johan Inger und mit Spannung erwarte ich dessen Sicht auf den „Schwanensee“.
Insgesamt arbeite ich hier seit Jahren dankbar mit ausgezeichneten Teams in allen Gewerken, in Ensembles, Kollektiven, Dramaturgie, Technik, Werkstätten, Administration, Leitungsabteilungen und Direktionen. Anders wären diese Erfolge auch gar nicht möglich.

Grube: Herr Theiler, Sie sind seit fünf Spielzeiten Intendant der Semperoper. Was waren Ihre bewegendsten Ereignisse an der Semperoper?

Theiler: Zweifelsohne die Covid-Pandemie, die uns alle vor unglaubliche Herausforderungen stellte und im Hause sowohl Reaktionen von großer Solidarität aber auch von verstörendem Zwist hat aufkommen lassen. Ohne die ständige, enge Abstimmung auf Leitungsebene im Binnenverhältnis, mit Wolfgang Rothe und Joachim Klement, dem Intendanten des Staatsschauspiels, aber auch mit unseren Trägern, die mit großer Unterstützung zu uns standen und unser wirtschaftliches Überleben garantierten, wäre diese für die Psyche aller anspruchsvolle Zeit nicht zu packen gewesen. Künstlerische Projekte sind durcheinander geraten, mussten abgesagt oder verschoben werden. Die Auswirkungen spüren wir bis heute. Man konnte zusehen, wie Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht wurden und künstlerische Biographien schwere Zäsuren erlitten. Emotional und organisatorisch wurde der gesamten Belegschaft enorm viel abverlangt, ich denke hier u. a. an die Auflagen zu regelmäßigen Corona-Tests beim künstlerischen Personal, zu einer Zeit noch, als das Tragen der Masken in vielen Bereichen bereits wieder aufgehoben war. Die divergierenden Verordnungen mussten vermittelt werden, waren aber für viele nicht nachvollziehbar oder schwer zu verstehen. Überhaupt setzten die vielen Diskussionen eine Menge Geduld und Empathie voraus. Ich möchte das nicht noch einmal erleben.

Grube: Herr Theiler, Sie sind in Ihrer Zeit als Intendant mit vielen nicht alltäglichen Herausforderungen konfrontiert worden. Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin Nora Schmid als Empfehlung mit auf den Weg?

Theiler: Meiner geschätzten Kollegin und Nachfolgerin muss ich keine Ratschläge geben, sie ist eine erfahrene Theaterleiterin und kennt das Haus aus eigener Tätigkeit. Wir arbeiten gut zusammen, im Sinne einer reibungslosen Übergabe.

Grube: Lieber Herr Theiler, wir kennen uns schon sehr lange. Kennengelernt haben wir uns 2011 zum 175. Jubiläum der Deutschen Bahn in Nürnberg. Verraten Sie uns noch zum Abschluss, was Sie mit Ihrer Zeit ab Juli 2024 machen werden?

Theiler: Persönlich freue ich mich nach 28 Jahren Intendanz an vier grundverschiedenen Häusern auf mehr Freizeit mit meiner Familie. Ich bin ja schon Ende 60 und werde mir das Pensum für Reisen und Aktivitäten selbst aussuchen können. Und für den fachbezogenen Unruhestand reichen dann auch Lehraufträge, Beratungen und Gesangswettbewerbe.

Grube: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Theiler, für dieses kurze Gespräch, das für unsere Kuratoren und Kuratorinnen sowie unsere Stiftungsratsmitglieder sehr wertvoll und interessant ist. Wir freuen uns auf eine weitere sehr gute konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

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